Alle Farben und Freuden meiner Welt

Foto von Rieke D.

 „But time is life, and life exists in our hearts, and
the more of it that the people saved, the less they actually had“


 

Den ersten Herbst, den mein Hund erlebt hat, war, nachdem sie erst wenige Wochen bei uns wohnte. Als kleiner Welpe und die ersten Jahre danach
liebte sie es, in die Blätterhaufen zu springen und darin Mäuse zu fangen. Es war für mich ein riesiger Spaß, mit ihr gemeinsam draußen zu spielen und durch die Blätter zu laufen. Heute ist mein Hund etwas älter und spielt nicht mehr in den Blätterhaufen und fängt auch keine Mäuse mehr. Naja, und ich spiele auch nicht mehr, weder mit ihr noch mit meinen Freunden.
Wir sind wohl beide älter geworden. Sie hat ihren Spieltrieb verloren, ich habe fast verlernt, so
sorglos frei zu sein und naiv durch die Welt zu laufen und mich in die Blätter fallen zu lassen.

Heute liegen wir beide auf einem großen Kissen vor dem Ofen und „streiten“ uns darum, wer mehr Platz bekommt.

Währenddessen gucke ich nach draußen und beobachte, wie die Blätter von dem Baum in unserem Garten abfallen. Für mich ist das heute nur noch eine Schutzfunktion der Bäume vor der Kälte. Früher der Beginn des Winterschlafes der Bäume.

Die Antworten, die man damals auf seine Fragen bekommen hat, waren doch immer die schönsten. Wie einem erklärt wurde, dass der Baum nicht stirbt, sondern dass er einfach nur ganz tief schläft und im Frühjahr wieder aufwacht. Das man nicht traurig sein muss, weil er sehr bald wiederkommt. Damals war alles noch so einfach und unkompliziert. Man war zwar traurig, dass der Baum nie Schnee sehen wird und den Winter nie erlebt, aber es war okay. Er würde ja wiederkommen.

Heute machen wir uns oft selbst das Leben so kompliziert und das Abfallen der Blätter ist kein Beginn eines langen Schlafes mehr, sondern ein Schutzinstinkt.

Manchmal wäre ich gerne wieder klein. Da war man mit 2€ schon reich und alles war ein großes Spiel.

Tja, so ist aber nicht das Leben. Das Leben ist grau und trist, ohne Spaß und alles voll mit einfachen und langweiligen Erklärungen.

Klar, es gibt auch Sachen, die einem in der Welt der Erwachsenen erfreuen, aber seien wir doch ehrlich, niemandem kann man leichter eine Freude machen als einem Kind. Einem Kind, das nicht lügen kann und dessen ehrliche Freude du in seinen Augen erkennen kannst. Und wenn es nur eine kreative, etwas geschummelte, Antwort auf eine ihrer Fragen ist.

Natürlich sind die Naturwissenschaften unfassbar spannend und auch das Erforschen der Welt und alles was dazugehört. Aber müssen wir das wissen? Macht das nicht unser Leben teilweise komplexer und schwieriger? Ist manches Wissen nicht unnötig? Und manches dieses Wissens ist nur dafür da, etwas noch leichter zu machen, als es schon ist; Menschen überflüssig zu machen und alle Menschen zu verstrahlen, selbst die kleinsten und schutzlosesten.

Manchmal gehe ich mit ein paar meiner Freunde auf den Spielplatz, nicht um zu trinken, sondern um uns wieder wie kleine Kinder zu fühlen. Was man alles so wiederentdeckt, alte Spiele, Tricks und Lieblingsorte.

Da finden wir dann alle unser inneres Kind wieder, unser kleines, verspieltes, inneres Kind.

Es kommt wieder hervor und zeigt uns die eigentlichen Freuden und Farben des Lebens mit all ihren Seiten. Das wir das damals nicht einfach nur gemacht haben, weil wir klein und naiv waren, sondern weil es Spaß macht und man dabei einfach alles vergessen kann.

In diesen Momenten schließe ich manchmal einfach so meine Augen. Dann spüre ich den Wind in meinem Gesicht und wie er durch meine Haare weht, spüre wie die Sonne meine Nasespitze wärmt und öffne mein kleines, zerbrechliches Herz. Und alle meine Erinnerungen kommen hervor und nehmen diese neue Erinnerung, diesen Moment, das Spiegelbild meiner Kindheit in dem Fluss des Lebens, in sich auf und tragen es mit sich wieder in mein Herz rein. Dann schließt es sich wieder und meine Augen öffnen sich. Und damit schließt sich auch das Tor zu meinen damaligen ich, das kleine, sorglose, naive Ich.

Das ist der Moment, wo ich nicht mehr Kind bin, sondern wieder – wie vorher - ein Teil der grauen und trostlosen Welt der Erwachsenen, die den Schlüssel zu ihrem Herzen verloren haben.

Ich habe Angst, ihn auch zu verlieren, zusammen mit allen schönen Erinnerungen, darum halte ich ihn ganz fest in meiner Hand und drücke ihn an mein Herz, damit ich es immer wieder finde…

…zusammen mit allen Farben und Freuden meiner Welt…

 Von Hanna K.