„Eine unsichtbare Kategorie“
Was ist Zeit eigentlich und warum kann man sie nicht anhalten?
Foto von Lina S. |
Wir Menschen messen die Zeit, indem wir Uhren bauen und immer genauere Methoden zum Messen erfinden. Stellt euch vor, wir würden die Zeit nicht messen. Würde sie dann einfach nicht mehr existieren? Hier scheinen sich alle einig zu sein: Die Zeit existiert unabhängig vom Menschen. Die Tiere halten Winterschlaf, wachen auf, halten wieder Winterschlaf ... Auch wenn hier die Zeit nicht wirklich gemessen wird und konkrete Ereignisse keine Rolle spielen, gibt es doch einen periodischen Prozess. Es muss also Zeit existieren, so als Ablauf der Dinge und Handlungen. Als Veränderung. Nichts bleibt immer gleich, deshalb ist Zustand auch ein sinnloses Wort. Von „gerade eben“ bis „jetzt“ hat sich wieder irgendetwas verändert, und zu „gleich“ wird sich auch wieder was verändern. Natürlich kann man Zeit aber unterschiedlich messen. Nach Sonnenstand, nach einer Sanduhr oder mit einer Atomuhr, Zeit bleibt trotzdem eine Größe, die es den Menschen erleichtern soll, sich zum Beispiel zum selben Zeitpunkt am selben Ort zu treffen. Stellt euch nur mal vor, wir würden die Zeit nicht messen, wie würden wir dann die Zeitspanne bestimmen? Für jeden Menschen fühlt sich eine Zeitspanne doch unterschiedlich lang an. Der eine kommt nach einer Stunde zum Treffpunkt, die andere nach einem Tag. Keine Chance, sich zu treffen, oder? Aber warum ist das so, dass sich Zeit für jeden anders lang anfühlt? „Das ist vor allen Dingen eine psychologische Frage, denn da handelt es sich um eine subjektive Wahrnehmung.“ (Frau Michael) ist wohl die offensichtlichste Antwort und auch die Richtung, in die ich beim Stellen der Frage gedacht habe. Stell dir vor, du sitzt in einer langweiligen Unterrichtsstunde mit Frontalunterricht und die Lehrkraft labert und labert und labert, dann guckst du doch ständig auf die Uhr und denkst dir: Warum vergeht die Zeit so langsam? Gerade eben war es doch schon genauso spät, oder nicht? Das ist eben, was passiert, wenn um uns herum nur etwas Langweiliges passiert oder überhaupt sehr wenig. Ungeduldige Menschen haben außerdem auch schnell das Gefühl, dass die Zeit stehen bleibt. Kurz: Es muss etwas passieren, „das uns diese unsichtbare Kategorie, die wir als ‚Zeit‘ definieren, erfahrbar macht“. (Frau Festerling) Wenn wir also etwas tun, was uns total Spaß macht, oder wenn wir uns auf den Lauf der Zeit konzentrieren, vergeht die Zeit schnell. Oder wenn sich viel um uns herum verändert, was uns folglich die Existenz von Zeit erfahrbar macht. Es gibt aber auch eine andere Perspektive, nämlich die physikalische. Herr Rachow hat das wirklich seeehr ausführlich erklärt, da hab ich zuerst nur die Hälfte verstanden. Einerseits vergeht die Zeit langsamer für uns, wenn wir uns mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Wenn sich also ein Zwilling mit Lichtgeschwindigkeit von der Erde entfernt und nach einer Weile zurückkehrt, wird er weniger gealtert sein. Schwer vorstellbar, oder? „Der Haken an der Sache [...] ist, dass sich diese Theorie von Einstein eben auf Objekte bezieht, die sich sehr, sehr, sehr schnell bewegen, eben mit nahezu Lichtgeschwindigkeit, und für das praktische Leben auf der Erde nahezu keinen Einfluss besitzt.“ (Herr Rachow) Es ist also nicht schlimm, wenn wir Nicht-Physik-Begabte das nicht so ganz begreifen können. Was natürlich auch nicht geht, was Physiker*innen uns ganz ausführlich erklären können, ist, die Zeit anzuhalten oder in der Zeit zu reisen. Jeder von uns kennt bestimmt ein Buch, in dem das funktioniert, ob es nun die Edelstein-Trilogie ist, wo es richtige Zeitmaschinen für Jahrhundert-Reisen gibt, oder Harry Potter, wo es nur ein kleiner Zeitumkehrer für ein paar Stunden ist. Viele würden sich wohl wünschen, in die Vergangenheit zu reisen und noch mal mit jemandem zu reden, der mittlerweile verstorben ist, oder in die Zukunft zu reisen und schon mal zu wissen, was passieren wird. Oder vielleicht auch die Zeit anzuhalten, um einen Moment ewig erleben zu können. (Kann man einen Moment überhaupt noch ERLEBEN, wenn er stehen bleibt? Dann passiert doch gar nichts mehr ...) Nur blöd, dass wir nicht die einzigen sind, die die Zeit erleben. Es gibt ja auch Tiere und in unseren Körpern laufen Stoffwechselprozesse ab. „Chemische Reaktionen verlaufen beispielsweise ohne Einwirkung von ‚außen‘ nur in eine Richtung.“ (Frau Festerling) Wir müssten also solche Prozesse umkehren können, und das können wir nicht, weil wir nicht gegen die Natur ankönnen. Natürlich gibt es auch hier wieder die ausführliche Antwort von Herrn Rachow, die ... sehr verworren ist. Es gibt so etwas wie ein Maß für die gleichmäßige Verteilung der Unordnung, die Entropie. Sie kann nur zunehmen, zum Beispiel, wenn man eine Fensterscheibe einschießt. Die Scheibe kann sich schließlich nicht wieder von allein zusammenfügen. Dann sagt Herr Rachow aber noch was von „Schrödingers Katze“. Solange man nicht in den Karton mit der Katze geguckt hat, weiß man nicht, ob sie noch lebt oder schon tot ist. Wenn man dann reinguckt, dann sieht man es ja, aber vorher kann man nur bestimmte Wahrscheinlichkeiten angeben. „Ich kann jetzt aber in diesem Experiment im Nachhinein mich umentscheiden, also, wenn ich vorher als Beispiel Pfad A gewählt habe und damit Pfad B nicht mehr zur Verfügung stand, kann ich durch eine weitere Messung, durch eine Änderung des Experiments mich im Nachhinein umentscheiden und sagen, nee, ich möchte jetzt nicht mehr Pfad A, ich möchte jetzt Pfad B als Messergebnis haben. Und das lässt durchaus darauf schließen, dass ich die Vergangenheit ein Stück weit beeinflussen kann.“ (Herr Rachow) Kryptisch, oder? Aber er gibt zu, das bezieht sich genau wie Einsteins Theorie nicht so wirklich auf das alltägliche Leben und hat deshalb kaum Bedeutung für uns. Eines kann aber definitiv gesagt werden, und zwar: „Obwohl wir nicht in der Zeit reisen können, [kann] der Blick zurück für uns sehr wichtig sein [...], um für die Zukunft zu lernen.“ (Frau Michael) Indem wir die Vergangenheit betrachten und reflektieren, lernen wir, was wir in der Zukunft tun oder nicht tun sollten. Mehr als das ist aber nicht möglich und eigentlich ist das auch gut so. Ich meine, würde man in die Vergangenheit reisen und verhindern, dass sich seine Eltern kennenlernen, wie sollte man dann je geboren werden? Dann könnte man auch nicht da stehen und in die Vergangenheit gereist sein, das heißt, die Eltern müssten sich ja sich über einen anderen Weg getroffen haben ... Veränderungen der Vergangenheit hätten immer auch Auswirkungen auf die Gegenwart bzw. die Zukunft, deshalb ist das, schon wenn ich genauer drüber nachdenke, einfach nicht möglich. So was wie der Blick in die Vergangenheit oder Erinnerungen sind das, was Zeitreisen am nächsten kommt. Um den Bogen wieder zurück zum Anfang zu schlagen: Existiert die Zeit auch ohne den Menschen? Irgendwann wird der Mensch aussterben, wie die Dinos damals, und irgendwann haben die Menschen auch mal noch nicht existiert. Gab es da schon die Zeit? „Wenn ein Baum im Wald umfällt, und es ist keiner da, um es zu hören: Macht der Baum dann überhaupt ein Geräusch? So ähnlich ist es mit der Zeit wohl auch: Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Zeit auch läuft (und die Dinge sich verändern), wenn die Menschen nicht dabei sind (oder eine ihrer Uhren), ganz sicher sagen können wir es wohl nicht …“ (Herr Peters) Denn es kann uns keiner mehr sagen, wenn wir ausgestorben sind. Genauso kann uns ja auch niemand mehr sagen, ob wir betrauert werden, wenn wir gestorben sind. „Auf jeden Fall! Zeit ist eine Eigenschaft unserer Welt und diese benötigt keinen menschlichen Einfluss.“ ist die überzeugte Antwort des Physikers Herr Rachow. Ich glaube auch, dass Zeit als Maß der Veränderung schon immer existiert hat und auch immer existieren wird. Meine Schwester und ich haben überlegt, was passieren würde, wenn mit dem nächsten Urknall ein Universum entstehen würde, in dem keine Zeit existiert. Dann würde sich ja nichts mehr verändern und demnach könnte es nie wieder einen neuen Urknall geben, denn es steht ja alles still. Das wäre also das Ende. Und sobald es einen Urknall gibt, verändert sich ja etwas, es muss also spätestens zum Beginn des Urknalls Zeit geben. Natürlich misst niemand die Zeit, wenn die Menschen nicht mehr leben (außer, es gibt irgendwo eine so intelligente Spezies wie uns), aber trotzdem gibt es Veränderung und den Abstand zwischen zwei Ereignissen (also eine Zeitspanne). Zeit als Messeinheit ist also menschengemacht und Tiere brauchen sie auch gar nicht, denn sie soll uns Menschen helfen, einen Treffpunkt auszumachen. Tiere wollen sich nicht treffen, so wie Menschen es tun (Tiere WOLLEN auch gar nichts, sie handeln nach Instinkten, soweit die Biolog*innen das heute wissen). Eine Vergangenheit und eine Zukunft muss es ja trotzdem auch geben, das Jetzt ist sowieso immer schon Geschichte, wenn du es nur gedacht hast. „Darum kann ich mich eigentlich am besten Augustinus anschließen, der sagt, Zeit ist ein Konstrukt unseres Gehirns, und ich weiß, was es ist, solange ich es nicht erklären muss.“ (Frau Michael) Ich hab auch jedes Mal, wenn ich über Zeit oder über die Grenzen des Universums nachdenke, das Gefühl, dass der menschliche Verstand nicht ausgereift genug ist, um so etwas Kompliziertes und Abstraktes zu begreifen. Es gibt einfach Dinge, die wir uns nicht vorstellen können. Damit müssen wir leben. Aber es ist doch auch sinnvoll, sich die kindliche Fähigkeit, alles zu hinterfragen und nichts für selbstverständlich hinzunehmen, zu behalten. Ich kann mir auf jeden Fall sicher sein, dass Zeit immer in eine Richtung verläuft (vorwärts oder rückwärts – wenn sie rückwärts verlaufen würde, wäre das auch vorwärts, vielleicht gibt es Galaxien, da ist es vorwärts, wenn man nicht altert, sondern „jüngert“). „Wir können sehen, wie eine Tasse vom Tisch fällt und in Scherben geht, aber wir werden niemals sehen, wie sich eine Tasse zusammenfügt und auf den Tisch zurückspringt. Diese Zunahme der Unordnung oder Entropie unterscheidet die Vergangenheit von der Zukunft und verleiht der Zeit auf diese Weise eine Richtung.“ schrieb Stephen Hawking in einem Buch, das ich als Grundschulkind gelesen habe. Und das ergibt total Sinn. Für uns ist es vorwärts, wenn die Unordnung zunimmt. Wir bestimmen also die Richtung der Zeit. Wenn man auf Wikipedia nach dem Artikel „Zeit“ guckt, ist der erste Satz „Zeit ist eine physikalische Größe.“. „Die Menschen glauben immer, alles in Zahlen ausdrücken zu können, wenn sie es auf die Spitze treiben, nehmen sie andere Menschen oder sich selbst auch nur noch als Nummern und Zahlen wahr – schade eigentlich.“ schreibt Herr Peters. Ihr kennt es doch bestimmt auch, oder? Wir beschreiben uns mit Zahlen, wir SIND unser Gewicht, wir SIND unser Alter ... Auch Kalorien (um auf ein aktuelles Thema zu kommen) sind nur eine Einheit für Energie. Menschengemacht also. Klar, die Energie existiert auch ohne, dass wir sie messen, aber die Kalorienangabe ist nur zur Orientierung und zum Zusammenleben für die Menschen (sonst hätten wir ja keine einheitliche Angabe und alles wäre relativ) gedacht. Also, natürlich ist Zeit eine physikalische Größe, wenn man die Zeit als Messeinheit meint. Aber Veränderung und Zeitabstände gibt es auch ohne Menschen, ohne Physik, ohne Uhren ...
Nur: „Stellt sich also die Frage, ob im schwarzen Nichts des Weltalls, wo es keine Materie gibt, keine Planetenbewegungen, sondern einfach nur Nichts, Zeit als Größe existiert?“ (Frau Festerling)
(Huch, das mit dem Vortritt für die Lehrkräfte hat wohl doch nicht ganz so geklappt. Mein Kopf hat einfach irgendwas produziert.)
von Lina S.
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