Wie kann ich glücklich werden?

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Wenn ich Google ® frage, wie ich glücklich werden kann, werden mir 41.200 Ergebnisse angezeigt. Auch Buchhandlungen, soziale Netzwerke wie Instagram und Lifestylemagazine sind voll von super einfachen und ganz schnellen Tipps für ein glückliches Leben. Diese Tipps sind so vielfältig wie ihre Verfasser*innen. Auf den zweiten Blick steckt in diesen dann aber doch ein ganzes Stück Arbeit. So soll ich zum Beispiel meine Ernährung umstellen, meine Freunde und meinen Besitz ausmisten, meine Hobbys überdenken und mir mehr Zeit für mich selbst nehmen. Außerdem soll ich in allen Bereichen meines Daseins bewusster leben.

Doch schon über die Definition von Glück lässt sich viel philosophieren. Was genau ist eigentlich Glück, wie kann man es bestimmen, welche Arten gibt es und wodurch entsteht Glück eigentlich? Und doch steht dabei immer wieder die Frage nach dem Weg zum Glück im Vordergrund. Denn genauso vielfältig wie wir Menschen sind auch unsere Wege zum Glück und unsere Herangehensweisen. Auf der einen Seite kann man einen bestimmten Grundsatz sein Leben lang verfolgen, der langfristig glücklich machen soll. Doch natürlich kann man sein Leben auch sehr spontan leben und seine Taten nach intuitiven Einfällen gestalten. Aber sollte man jeden einzelnen Glücksmoment im Leben genießen oder sein ganzes Leben nach einem bestimmten Prinzip ausrichten, das am Ende vielleicht viel glücklicher macht und somit viel erfüllender ist? Wie werde ich glücklich?

Schon in der sechsten Klasse, also im zarten Alter von zwölf Jahren, habe ich mich gefragt, wie ich glücklich werden kann. Eigentlich total verrückt, aber mit der Pubertät kam für mich auch der Wunsch des Erwachsenwerdens und der Wunsch nach einer Struktur im Leben. Denn schon seitdem war mir klar, dass ich mein Leben auf keinen Fall verschwenden möchte. Mit zwölf Jahren war ich also auf der Suche nach einem Konzept für mein Leben, da für mich feststand, dass nur ein solches glücklich machen kann. Meine erste Idee: Eine Religion. Denn sie soll das Leben erfüllen, das wurde mir schon von Kindertagen an so beigebracht. Ob von meinen Großeltern, dem Kindergottesdienst oder dem Religionsunterricht. Doch auch wenn bei einer Religion auch die Gemeinschaft sicherlich einen Teil des Glückes ausmacht, soll doch die Verbindung zu Gott glücklich machen. Dies ergab auch eine Studie der School of Economics in Paris und des European Centre for Social Welfare Policy and Research aus dem Jahr 2008, für die Personen christlichen Glaubens befragt worden sind. Demnach seien religiöse Menschen tatsächlich glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben. Also habe ich in mich gehorcht und immer wieder versucht, eine Verbindung zu Gott aufzubauen. Aber so sehr ich es auch immer wieder in verschiedenen Situationen versucht habe - ich habe nichts gefühlt. Im Gegenteil, es hat mich frustriert, weil ich das Gefühl hatte, es umsonst zu tun. Doch hat es mich zu meinem Standpunkt gebracht - ich glaube nicht an einen Gott und kann somit auch kein religiöses Leben führen. Das Resultat waren mehrere hitzige Diskussionen mit meinem Großvater, weil ich mich nicht konfirmieren lassen wollte und das Fach Religion abwählte. Aber mir war klar, dass eine Religion, die auf einen Gott ausgerichtet ist, nicht mein Weg zum Glück sein kann. Also habe ich noch einen Versuch gewagt und mich mit Religionen beschäftigt, die nicht auf einem Gott aufbauen. Dabei bin ich auf den Buddhismus gestoßen. Lange Rede, kurzer Sinn - schlussendlich hat mich auch dieses Prinzip nicht überzeugt. Denn ich glaube fest daran, dass das Leben nicht per se schlecht ist. Denn auch wenn einem das Leben manchmal keine guten Karten zuspielt, ist das Spiel selbst doch etwas Schönes. Und auch die Idee der Wiedergeburt ist für mich zu abstrakt. Also bin ich zu meinem persönlichen Schluss gekommen, dass mich Prinzipien, die mein ganzes Leben bestimmen, nicht glücklich machen werden. Denn irgendwie ist Glück für mich doch etwas ganz Individuelles und ich habe noch kein Schema gefunden, mit dem ich mich komplett identifizieren kann. Natürlich können Religionen individuell ausgelegt werden, aber ich habe für mich eingesehen, dass ich mein Glück so nicht finden werde. Dies erklärte Terry Sanderson von der britischen National Secular Society so: Ungläubige können sich nicht einfach dem Glauben zuwenden, um glücklich zu werden.

Ich habe auch versucht, minimalistisch zu leben, also mein Leben nicht auf Konsum auszurichten und nur das Notwendigste zu besitzen, weil man dadurch glücklich werden soll. Aber auch das hat nicht so richtig gut funktioniert, denn immer, wenn ich doch einmal Lust darauf hatte, gegen das Prinzip zu handeln, habe ich mich schlecht gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, meine Bedürfnisse sind nicht richtig. Aber meine Bedürfnisse sind nun mal meine Bedürfnisse und wenn diese nicht richtig sein sollen, dann kann ich mir doch selbst nicht mehr trauen, oder nicht? Wenn ich shoppen gehen möchte, weil ich wirklich Lust darauf habe, dann sollte ich das machen dürfen. Denn Prinzip hin oder her - ein weiteres T-Shirt aus Baumwolle wird der Umwelt nicht massiv schaden, zumal ich mich in diese Richtung schon einschränke. 


Ich habe also von mir selbst gelernt, dass ich mein Leben nicht nach einem strengen Prinzip ausrichten möchte, weil mich das nicht glücklich macht. Es ist mir nicht individuell genug und wenn ich doch einmal gegen das Prinzip handele, fühle ich mich noch schlechter und bin definitiv nicht glücklich. Nach diesen Erfahrungen war ich zwar einen Schritt weiter, aber wie ich glücklich werden könnte, wusste ich immer noch nicht. Ein anderer Ansatz musste her.

Wenn ich dann in meinem Freundeskreis herumgefragt habe, wie ich glücklich werden kann, kamen die klassischen Sprüche: Mach einfach, was du willst, höre auf dein Herz und auf dein Bauchgefühl. Dies ist natürlich das, was allgemein als Individualismus verstanden wird. Gerade in unserer Gesellschaft, aber auch in meinem Umfeld wird dieser nahezu immer mit Freiheit gleichgesetzt, mit der Freiheit, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, es selbst zu gestalten. Ich habe die, die so etwas sagen und sich auch immer konsequent daran halten, immer beneidet. Denn aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass das nicht immer leicht ist. Die gesellschaftlichen Zwänge und Pflichten machen es einem manchmal wirklich schwer. Wenn ich zum Beispiel im Unterricht sitze und eigentlich total Lust darauf hätte, Musik zu hören, dann kann ich das nun einmal nicht. Wenn ich bei einer Familienfeier bin, dann kann ich nicht einfach gehen und mich mit meinen Freund*innen treffen. Und doch würde das einfach Freiheit bedeuten. Freiheit, das zu tun, was man wirklich möchte, aber auch das Freisein von anderen. Die Unabhängigkeit. Denn irgendwie würde es doch guttun zu wissen, dass einzig ich allein für meine Taten verantwortlich bin. Ist Freiheit insofern nicht auch eine Art von Glück? Zumindest wurde mir dies immer in Geschichten vermittelt. In Märchen, in Filmen, in Romanen. Aber auch hier hat mich wieder der Einfluss der sozialen Medien geprägt. Denn auf vielen Seiten, zum Beispiel auf Instagram, posten Influencer*innen ihre Roadtrips und Reiseberichte. Und immer wird dir vermittelt: Die Freiheit ist das größte Gut des Menschen. Und nur sie allein macht wirklich glücklich. Und auch ich kann nur sagen: Als ich das erste Mal ohne meine Eltern oder jegliche Erwachsene gereist bin, habe ich mich zum einen eher erwachsen und unabhängig, aber eben auch einfach frei gefühlt. Da war es auch völlig nebensächlich, dass es nur ein paar Tage in einer kleinen Stadt in Ostfriesland waren. Aber dort habe ich auch gemerkt, dass Freiheit eigentlich nur dann Glück bedeutet, wenn man sie auch wirklich will und zu nutzen weiß. Als Kind in der Grundschule hätte allein reisen für mich ganz bestimmt alles andere als Glück bedeutet, weil ich diese Freiheit nicht gebraucht hätte. Ich hätte überhaupt nicht gewusst, was ich hätte machen sollen und wäre zwar überfordert, aber bestimmt nicht glücklich gewesen. Doch jetzt wünsche ich mir diese Freiheit, selbst zu entscheiden und das zu tun, was ich möchte.
Dies ist auch der Weg, den der griechische Philosoph Aristippos zu einem glücklichen Leben beschrieb. Er gilt als Begründer des Hedonismus. Der Hedonismus ist eine Lebenseinstellung, in der man jeder Lust nachgeht, die man empfindet. Außer diese Lust würde zu Schmerzen führen, denn diese gilt es im Hedonismus unbedingt zu vermeiden. Allerdings kann es natürlich auch Nachteile haben, wenn man nur seinen spontanen Eingebungen folgt. Und auch ich bin durchaus schon so manches Mal von meinem Bauchgefühl enttäuscht worden. Denn eins beachtet das Bauchgefühl meist nicht: Die Folgen. Gerade wenn es um das große Meer der Gefühle geht, kann aus dem stillen Ozean mit einem leichten Lüftchen ganz schnell ein großer Hurrikan entstehen. Und das nur aufgrund des Bauchgefühls. Auch wenn Aristippos sagt, man solle der Lust nur dann folgen, wenn man Schmerzen vermeidet - woher soll ich wissen, welche Handlungen Schmerzen zur Folge haben? Das kann ich nicht. Das Leben ist schließlich voll mit blöden Zufällen und gewisse Dinge können wir schlicht nicht voraussagen. Deswegen ist es auch unfassbar mutig, sich immer auf seine Bedürfnisse und Instinkte zu verlassen. Außerdem stellt sich für mich die Frage, wie dieses Konzept meine Lüste verändern würde. Denn so müssten meine Bedürfnisse immer genau dann befriedigt werden, wenn sie aufkommen. Nimmt die Lust dann nicht mit der Zeit ab? Ich glaube schon, dass es mir gutgetan hat, dass ich nicht immer alles sofort bekommen habe. Gerade bei Kindern fällt mir doch immer wieder auf, wie es sich auf die Entwicklung auswirkt, wenn sie alles von ihren Eltern bekommen. Denn dies kann dann zum Problem werden, wenn sich die Lust nicht direkt befriedigen lässt. Wenn ich jetzt, in diesem Moment, im Meer schwimmen möchte, dann ist das nun einmal nicht möglich. Und werden dann die Wünsche nicht immer größer? Man lernt so doch schließlich nicht, mit dem, was man hat, zufrieden zu sein, oder? 

Aber Zufriedenheit ist doch ein wesentlicher Bestandteil des Glückes. Zumindest ist das auch etwas, was von Influencer*innen, aber auch von meiner Oma immer wieder vermittelt wird. Denn wir leben in einer Welt, die sich ständig verändert. Alles ist im Wandel, ob Digitalisierung, Geschlechterrollen oder die Gesellschaft. Wir leben in einem privilegierten Teil der Welt und wir haben immer mehr Möglichkeiten. Und doch merke ich selbst, wie gut es mir manchmal tut, einfach einmal durchzuatmen, zur Ruhe zu kommen und den Moment zu genießen. Und zwar so, wie er ist. Einfach mal zufrieden sein und sich seiner Situation bewusst werden. Da ist es wieder: Bewusstsein. Und damit auch verbunden: Akzeptanz. Natürlich macht es eine*n auch glücklich, wenn man Höheres anstrebt und diese Ziele dann auch noch erreicht. Aber wenn man direkt danach ein neues Ziel anstrebt, kann man sich, glaube ich, gar nicht so richtig über das Erreichte freuen. Dies beschreibt der Philosoph Epikur mit dem Begriff der Selbstgenügsamkeit. Er sagt, es komme nicht darauf an, was man begehrt, sondern wie sehr. So kann eine einzige Kugel Eis mich sogar glücklicher machen als eine ganze Torte, wenn ich nur Lust auf dieses Eis habe. Er sagt außerdem, dass die Lust das höchste Lebensziel sei und am Anfang und am Ende eines seligen Lebens stehe. Ich kann auf jeden Fall sagen, dass die Lust sehr wichtig in einem Leben ist. Denn sie zeigt mir meine Wünsche und leitet mich irgendwie auch dazu an, glücklich zu werden. Denn nur, wenn ich weiß, was ich begehre, kann ich dem auch nachgehen und so vielleicht glücklich werden. 


Es ist also trotzdem wichtig, auch genügsam zu sein und nicht nur blind jede Lust befriedigen zu wollen, die mir gerade in den Sinn kommt. Denn natürlich macht mich eine Entscheidung glücklicher, wenn ich sie überlegt treffe. Denn nur so kann ich eventuelle Folgen, die absehbar sind, umgehen. Denn negative Folgen würden eher den Schmerz verursachen, den es im Hedonismus zu vermeiden gilt, und mich ganz bestimmt weniger glücklich machen. 

Was kann ich also tun, um wirklich glücklich zu werden? Ich habe meine Taktik geändert: Weil es mein Glück ist, zählt auch das, was ich wirklich will. Also habe ich mir überlegt, in welchen Momenten ich in meinem Leben so richtig spürbar glücklich war. Zum einem waren das die kleinen Momente: Einfach mal durch den Regen mit dem Fahrrad fahren, ein Treffen mit Freund*innen, ein Tanz oder ein kleiner Erfolg. Das alles sind Dinge, die ich einfach gerne mache und Momente, in denen die Welt einfach stehen zu bleiben scheint. In diesen Momenten ist nicht wichtig, wer gerade die Wirtschaft bestimmt, wann ich die nächsten Dokumente abgeben muss oder wie meine Zukunft aussieht. Es zählt dann einfach nur der Moment und das, was ich tue. Dies sieht auch Aristoteles so: Er sagt, am glücklichsten machen die Tätigkeiten, die wir wegen ihrer selbst willen ausüben. Ich tanze also, weil ich tanzen will und nicht, um einen Preis damit zu gewinnen. Ich treffe mich mit meinen Freund*innen, weil ich sie einfach treffen möchte. Dies beschreibt auch Aristoteles als Weg zum Glück. Er sagt, dass man Tätigkeiten entweder ausübt, weil es einem auf die Tätigkeiten ankommt oder um glücklich zu werden. Ich persönlich muss sagen, dass ich das meistens gar nicht so sehr trennen kann, weil ich durch diese Tätigkeiten ja auch glücklich werde, wenn ich sie um ihrer selbst willen ausübe. Auf jeden Fall machen sie mich glücklich.
Ich habe versucht, meinen eigenen Weg zum Glück zu finden. Ich höre zwar auf mein Bauchgefühl und auf meine Lust, berücksichtige aber auch mögliche Folgen, indem ich nicht blind meinen Bedürfnissen folge, sondern sie auch hinterfrage. Ich reflektiere sie und kann so auch etwas über mich selbst lernen und mit mir selbst im Reinen sein. Ich akzeptiere sie und ich akzeptiere mich. Denn ich möchte mir auf keinen Fall auf meinem Weg zum Glück selbst im Weg stehen. Das ist für mich gerade in letzter Zeit sehr wichtig geworden, denn auch wenn es egoistisch klingen mag: Ich selbst bin am wichtigsten für mein Glück und nur ich entscheide, was ich machen möchte und was mir guttut. Ganz frei werde ich von gesellschaftlichen Zwängen wohl nie sein, aber das ist auch nicht weiter schlimm. Solange ich trotzdem mein Glück im Fokus habe. Ich weiß auch nicht, ob ich diesen Weg zu meinem Glück mein Leben lang beibehalten werde, aber das muss ich auch nicht. Ich bin gerade einmal siebzehn Jahre alt und habe noch so viel vor mir. Aber so habe ich mir ein ganz eigenes Konzept für mein Glück aufgebaut und wer weiß - vielleicht funktioniert es ja.

Von Rieke D.

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